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Rock meats ChristmasChicken

7. Januar 2015

Damit Geflügel nicht nur an Mutters Rock baumelt, singt es seit einiger Zeit im Kinderchor. Es trällert in einer altershomogenen Truppe, will sagen: Der Chorleiter ist ein armer Mann.
Letztens hatte die Farm einen Auftritt. Ein Musical, in welchem es ums Teilen mit den Armen ging. Geflügel sollte sich als mittelalterliche Magd verkleiden.
„Als Magd will ich nicht!“, schmetterte es. „Ich geh als Indianer!“
„Indianer hatten die im Mittelalter aber keine“, sagte ich und hielt ihm den Rock hin.
„Jetzt haben sie einen!“ Das Kleine zerrte mir den Rock aus der Hand und stopfte ihn hinter die Heizung.
Während ich mich beglückwünschte, bis zum letzten Tag mit der Kostümprobe gewartet zu haben, nahte von der Treppe Hilfe.
„Wenn ich einen Auftritt habe …“ – der Vater faltete sich bedächtig auf einem Kinderstuhl zusammen – „stehe ich auch nicht im Schlafanzug auf der Bühne. Dann ziehe ich mich für Rock-Musik an.“
„So ein Quatsch“, echauffierte sich Geflügel. „Du hast doch gar keinen Rock!!“

Im Flur brach Hektik aus: Pubi kam auf Durchreise. Er schmiss den Schulrucksack in sein Zimmer, schnappte ein Utensil und wollte flott die nächste Bahn erwischen.
„Wie viele ist der eigentlich?“ Mein Mann war ob des Transit-Tumults sichtlich irritiert.
„Der macht immer so eine Welle.“ Ich winkte ab. „Lass uns hier weitermachen.“
„Wir müssen nicht weitermachen“, sagte Geflügel. „Geh ich halt als Fisch!“

Irgendwie gelang es uns jedenfalls, sie am Auftritts-Morgen in ein dunkles Kleid zu zwängen, ein Wolltuch um die Schultern und statt eines Kopftuches wenigstens ein Blümchen ins Haar. Ein wenig verspätet erschienen wir am Treffpunkt. Gewohnt fröhlich riss ich die Tür zum Veranstaltungsraum auf – und erblickte einen Jahrmarkt grimmiger Minimägde und -Knechte.
„Was ist denn hier los?“, fragte ich meine genervte Nachbarin.
„Ein Theater mit den Kostümen …“ Sie knöpfte ihre Jacke auf und zog ein Kopftuch hervor. Dann sagte sie zu mir: „Pass mal auf …“
Sie drehte ihr träumendes Geflügel zu sich und wollte ihm geschwind das Kopftuch umbinden. Das fremde Geflügel wurde augenblicklich lebendig und riss sich das Kopftuch vom Kopf. „ICH BIN DOCH KEINE PUTZFRAU!“, brüllte es.
Das ihm am nächsten stehende Geflügel riss ebenfalls sein Kopftuch herunter und brüllte: „ICH AUCH NICHT!“
Das Domino erreichte mein Geflügel, aber ehe es einstimmen konnte, schnappte ich sein Ärmchen: „Du brauchst dich nicht aufzuregen, du trägst kein Kopftuch!“

Der Chorleiter sammelte nun das Marktvolk ein und gruppierte es auf der Bühne. Dabei fiel ihm ein Junge auf: „Nanu, du bist doch gar nicht verkleidet?“
„Ich mach eine Zeitreise“, sagte der Junge.

Geflügel kam noch einmal angehüpft, es hatte Durst. Während es mit seiner Flasche beschäftigt war, raunte meine Nachbarin: „Weihnachten kann das mit den Kostümen ja heiter werden …“
„Als was müssen sie sich denn verkleiden?“ Ich stöhnte.
Meine Nachbarin blinzelte: „Als Engelchen.“
Geflügel setzte seine Flasche ab: „Das kannst du vergessen! Weihnachten mach ich eine Zeitreise!“

„Würde ich bleiben lassen …“, plötzlich eine mürrische Stimme in der Reihe hinter mir. Weil die Uhr frühen Sonntag-Vormittag zeigte, war mein Pubertikel schlecht gelaunt.
„Wieso denn nicht?“ Geflügel ließ Auftritt Auftritt sein und stellte sich auf Bruders Tennistasche, damit es besser sehen konnte.
„Hallo“, knurrte der. „Mein Rucksack ist keine Fußbank.“
„Warum soll ich denn keine Zeitreise machen? Ist das gefährlich?“ Mini wollte das jetzt wissen.
„Mann, Mutter, erklär du das, ich schlaf noch …“
„Woher soll ich das wissen.“ Ich tippte mir an die Stirn. „Ich bleib Weihnachten daheim.“
„Soll ich besser keine Zeitreise machen?“ Geflügel kletterte auf Pubis Schoß.
„Denk doch mal an den Weihnachtsmann …“ Mein Pubi funkelte mich sehr giftig an.
„Ach ja …“ Es nickte. „Ja, dann bleib ich auch hier. –  Aber ich geh nicht als Engelchen!“
Meine Nachbarin feixte und ich beschloss, Weihnachten weit wegzuschieben. Heute zählte nur die singende Magd.
„Genug getrunken“, bestimmte ich, „Abmarsch auf die Bühne!“

Trotzdem war das der Moment, der Geflügels diesjährige Weihnachtsstimmung einläutete. Auf dem Heimweg schwieg es.
„Was ist denn los, Schatz? Du hast so toll gesungen, ich war unheimlich stolz auf dich!“
Mein Kleines war in Gedanken ganz woanders. „Der Nikolaus war schon mal im Kindergarten und hat vorgelesen“, sagte es stattdessen. „Er hatte ein ziemlich blödes Kostüm an. Die Mütze: vorn hoch, hinten hoch und in der Mitte Haare …“ Es simulierte mit den Armen irgendwelche Bretterwände mit einem Bachlauf dazwischen. „Allerdings glaube ich nicht, dass der echt war …“
Ich bekam einen mittelgroßen Schrecken und sah aufgrund eines schlechten Kostüms unsere Weihnachtsglückseligkeit den Bach runterrauschen.
„Der Nikolaus kann sich unmöglich den ganzen Vormittag zu uns in den Kindergarten setzen. Stell doch mal vor, wie viel der zu tun hat! Wenn er überall bis zum Mittagessen bleibt, schafft er am Tag zwei Kindergärten …“
„Wieso zwei?“
„Die Erzieherinnen essen später. Die können auch selber lesen, dann geht das schneller.“
Ich nickte.
„Aber mir hat gut gefallen, dass der Nikolaus Jans Papa als Gehilfen geschickt hat.“
Mir wollte immer noch nichts einfallen …
„Der kann bestimmt auch Weihnachtsmann …“,
überlegte Geflügel weiter. „Mama, frag ihn doch mal, ob er Weihnachten bei uns daheim den Weihnachtsmann spielt!“

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From → Aus dem Clan

17 Kommentare
  1. Juchei: Endlich wieder ein Goodwords-Mittwoch! 🙂 Frohes Neues Dir und Euch allen!

  2. Du erzählst so ungemein herzerfrischend und lebendig! 🙂 Herrlich! Ich habe jetzt grad sehr lebhaftes Kopfkino!

  3. Ich roll‘ mich ab! 🙂 🙂
    Das Putzfrauen-Domino finde ich genial! Recht haben sie!
    Mehrere hundert Jahre fraulicher Emanzipation einfach so den Bach runter? Niemals! Lol
    Aber sag‘ mal: Weiß das Geflügel eigentlich um seinen Spitznamen? Da wäre es doch ein sehr kleiner Schritt vom Federvieh zum Engel gewesen! 🙂 Und überhaupt – seit wann haben denn kleine Mädchen keinen Spaß mehr sich als Engel zu verkleiden? Flügel mit Glitzer! Rattenscharf! Oder gibt es einen neuen Trend zum Grufti-Geflügel oder Zombie-Huhn, der an mir vorbeigegangen ist? 🙂

  4. Apropos Rock-Musik! Dein Mann spielt Scottish Folk? Hat er dann was drunter? Denk an die Groupies! ***lol, kreisch, japs***

  5. yes! Das Jahr beginnt gut!
    lg Sina

  6. nixe permalink

    Super: Es simulierte mit den Armen irgendwelche Bretterwände mit einem Bachlauf dazwischen…..lach, dein Geflügel ist schon sehr aufgeklärt was Weihnachtsmann und Co. betreffen 🙂
    LG

  7. Wie süß, wenn Töchter ihre Mütter aufklären, dass es ja gar keinen Weihnachtsmann gibt!

  8. Vielen Dank für den schönen Artikel.

    So schade, wenn die Kinder anfangen, nicht mehr an Weihnachtsmann und Nikolaus zu glauben. Unser Sohn ist zwar allmählich auch skeptisch, was die Existenz des Nikolaus betrifft, kann sich aber immer noch nicht erklären, wie morgens die Geschenke vor der Tür in den Stiefeln gelandet sind.

  9. Was habe ich das vermisst und wieder herzlich gelacht 😆 !

  10. Super! *lol* Hab‘ wieder so gelacht! Schön, dass die Pause vorbei ist.

  11. Ich wäre gekommen und hätte gerne in der ersten Reihe gestanden. Auf jeden Fall! So was musst du mir doch sagen 😉
    Ganz liebe Grüße!

  12. Unsere Tochter wollte zwar bei den Heiligen Drei Königen mitmachen, aber bitte nicht den Schwarzen!
    Sie konnte sich durchsetzen, lach.

    Hier hätte ich zuuu gern zugesehen.

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