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Lockdown beim Geschirr

8. September 2021

Mein Pubertikel fährt seit einer Weile jeden Morgen mit dem Auto nach Düsseldorf. Wie das bei jungen Menschen häufig ist, braucht er viel Schlaf. Deshalb reizt er seine Abfahrtszeit bis zum Gehtnichtmehr aus. Gerne auf unter Null – aber das muss er selber wissen, er ist alt genug.

Weil er nun frühmorgens so gestresst ist, frühstückt er im Stau. Eine Schale Müsli mit viel Milch – lagert während der Fahrt im Flaschenhalter der Konsole. Wegen der Balance eignet sich dafür nicht jede Schüssel: Es muss eine mit einem kleinen Standfuß sein! Dann schwappt das auch in der Kurve nicht über. Außer bei Vollbremsung – gegen so viel Schwung ist kein Fuß gewachsen. 

Weil mein Youngster es außerdem als überflüssig ansieht, abends seine Tasche mit rein ins Haus zu nehmen, hat er morgens auf dem Weg zum Parkplatz schwer zu schleppen. Tagesaktueller Buchbedarf, Brotdose, unterm Arm zwei Trinkflaschen- oben auf dem Turm trohnt sportlich die Müslischale.

Da geht schon mal was schief. Kurz vorm letzten Lockdown fiel dem Knaben alle paar Tage eine runter. Wir kamen porzellanmässig zwar noch klar, aber weil ich mich sorgte, erstand ich am allerletzten offenen Tag in einem Ramschladen, als ich noch eilig Acrylfarben für das Kleinste einkaufte, zwei Schüsseln. Erst mal nur zwei, sollte sich stilistisch ja in unseren Haushalt einfügen.

Daheim angekommen kriegte ich bald einen zuviel. Die dickärschigen Hochwänder passten mit den Füßen nicht in das Nest vom Flaschenhalter – und was noch viel schlimmer war: deren moderne Schlammfarbe ganz und gar nicht zu meiner alten Holzküche!

Ließ sich aber leider nicht mehr korrigieren, die Läden waren ja nun alle dicht.

Nichtsdestotrotz veränderte mein Pubertikel nichts an seinen Lastenwegen und so schrumpfte unsere Schüsselbestand weiter zusammen. Das ging so weit, dass der Bengel eines Morgens die Lieblingsschüssel vom Gatten aus der Spülmaschine fischte.

„Was wird das?“, ranzte der ihn auch sogleich an.

„Du willst ja wohl nicht, dass ich in der Schule vor Hunger nicht denken kann!“, blaffte der Knabe zurück.

„Wehe du schmeißt meine Schüssel runter!“  Villeroy & Boch übrigens, Farbe Tannengrün.

„Doch. Am besten ich werf sie zum Auto!“

Der Gatte ließ ihn trotzdem ziehen, Eltern fühlen sich eben für den schulischen Erfolg ihres Nachwuchses verantwortlich. Ging auch alles gut, bis zum Abend.

Der Scheinwerferkegel schwenkte in die Einfahrt, mein Pubi stieg aus und suchte seine Plörren zusammen. Er stapelte seinen obligatorischen Turm, den trug er so, dass er die Schüssel unterm Kinn festklemmen konnte. 

Er schwankte zur Tür und kriegte auch den Schlüssel heil aus der Hosentasche gefummelt. Dann machte er mit ausgestrecktem Arm einen Schritt auf den Abtreter zu – als plötzlich etwas schrill aufkreischte. Gleichzeitig spürte mein Pubi einen scharfen Schmerz in der Wade.

Erschreckt sprang er aus der Gefahrenzone, weswegen er mit der Schulter gegen den Türrahmen krachte, woraufhin es auch sogleich heftig schepperte und klirrte. Modell Tannengrün und der Löffel, beide mehr oder weniger im Eimer. (Die schwarze Nachbarskatze ist seitdem auch noch nicht wieder aufgetaucht!)

Ich tat jedenfalls so, als hätte ich nichts mitbekommen; der Vatter des Knaben weilte, Gott sei es gedankt, noch beim Broterwerb.

Am nächsten Morgen fuhr mein Pubi hungrig zur Schule.

Aber nur für eine Stunde. Den übernächste Sitznachbarn ereilte die Pandemie und so war es das erstmal für meinen Sohn.

Wohl weil ich das mit den Schüsseln to drive eh nicht hätte lösen konnte, machten die die Bildungsanstalt zu.

Die Institutionen meiner restlichen Familienmitglieder auch und so frühstückten wir nun jeden Morgen gemeinsam zu Hause. Müsli gab es aus Suppentellern oder wer wollte, gleich aus der Salatschüssel. Je nach Befindlichkeit und Fassungsvermögen der Personen.

Und dann geschah etwas für mich Unerwartetes.

Ich guckte mir die beiden vom kürzlichen Fehlkauf schön!

Jeden Morgen gefielen mir die Schlammfarbenen nun besser. Nach der vierten Woche fühlte ich mich dermaßen verzückt, dass ich zu meinem Mann sagte: „Wenn der Lockdown vorbei ist, fahr ich als allererstes wieder in den Ramschladen! Dort kaufe sämtliche Schüsseln auf, die die noch haben! Alle nehm ich!“

Hätte ich das mal besser für mich behalten!

Oder hätte ich mich zumindest wegen der Mengenangabe sozialer geäußert und dabei solidarisch an die Mitmenschen gedacht, denen sich unterm Lockdown ebenfalls ein Bestandsproblem an Müslischalen entwickelt hatten! 

In der folgenden Nacht brannte der Laden nämlich ab!

Lichterloh!

Der ganze Gebäudekomplex!

Traurig betrachtete ich am nächsten Tag die Bilder vom Brand in der Tageszeitung. Weiter hinten lag ein Prospektbeileger drin. Ein einziger nur, lohnte sich ja im Moment nicht. War die Printreklame von ebenfalls einem Ramschladen, aber einem für Restposten. Weil der auch Lebensmittel im Sortiment hat, blieb der auch während des Lockdowns offnen. Gepriesen im Prospekt wurden Leinwände und Mist – ich interessierte mich nur für das Erste. Muss ja immer an Beschäftigungsnachschub für mein Kleinstes denken. 

Ich also freudig in den Laden gesaust – hatten die sämtliche Regale mit Malerplane verhüllt. Nur die Lebensmittel im Eingangsbereich und mit Flatterband markierte schmale Gänge zu den Angeboten waren frei zugänglich.

Schnell ratterte ich mit meinem Einkaufswagen bis ganz nach hinten zu den Leinwänden. War ich aber die Einzige, Kunst ist eben nicht jedermanns Sache.

Auf dem Rückweg mit den Dingern ließ ich mir dann Zeit, die Schlange an der Kasse reichte bis weit in den Laden hinein. So kam es, dass ich auf eine gelupfte Malerplane aufmerksam wurde. Sie hing halb offen zwischen Gang und Flatterband, so als wenn einer sein Tippi zum Durchlüften aufgesperrt hätte. Was war hier los? Ich bückte mich, um reinspähen zu können: 

Drei Müslischalen! Kunterbunt! Ganz allein! Aus Steingut!

Mein Herz machte einen freudigen Satz! 

Wenn das kein Zeichen war! 

Vorsichtig angelte ich die Schalen raus und setzte sie in den Einkaufswagen. Dann schön gemächlich damit zur Kasse gerattert, nicht dass noch was kaputt ging.

„Wo haben Sie die denn her?“, fauchte mich die Kassiererin an. „Das ist verboten!“

„Die Plane war offen, ich hab nichts gemacht!“, verteidigte ich mich erschrocken.

„Dann hat jemand anders die Plane aufgerissen. Ist aber trotzdem verboten. Darf ich Ihnen leider nicht verkaufen, junge Frau.“

„Aber ich brauch die so dringend. Mein Sohn hat alle paar Tage eine fallen gelassen. Wir haben keine einzige mehr! Und die Läden sind doch schon ewig zu“, brach es aus mir heraus.

„So einen habe ich auch daheim! Packen Sie sie schnell ein, damit das keiner mitkriegt!“

Ich hätte die Kassiererin küssen können! War aber ebenfalls verboten. Vielleicht hol ich das nach, wenn der ganze Spuk vorbei ist.

Die Schalen jedenfalls: ein Gedicht. Fügen sich farblich harmonisch in meine alten Küche ein, Standfuß genau im richtigen Flaschenhalter-Durchmesser fürs Auto – als gehörten die schon immer zu unserem Interieur. 

Normalerweise wäre hier jetzt Ende gewesen, sind ja alle zufrieden.

Doch das neue Schuljahr hat begonnen. Und mein Pubi tuckert morgens wieder nach Düsseldorf.  Als er heute Morgen am Fenster vorbeifuhr, stand die Müslischale auf dem Autodach …

Wenn der Bengel heute heimkommt! Dem zieh ich die Hammelbeine lang!

Bild dient nur der Aufmerksamkeit. Restliche Schüsseln rumpeln in der Spülmaschine.

From → Aus dem Clan

51 Kommentare
  1. Hach, da ist meiner ja harmlos.
    Er isst grundsätzlich im Bett und wenn ich Geschirr suche brauche ich bloß auf der Heizung in seinem Zimmer zu schauen. 🙄😂
    Beim Lesen stellte ich mir die Müsli Milch Mischung an der Windschutzscheibe vor, lecker.

    • Ja, genau! Meiner isst auch im Bett! Oder beim Zocken, da schmeckt’s anscheinend besonders gut.
      Hat mir erst letzte Woche einer den passenden Witz geschickt. Foto kann ich hier leider nicht anfügen, aber der kommt auch so:
      „Das Geschirr hat 10 sec bis ins Kinderzimmer gebraucht. Der Rückweg dauerte 2 Wochen.
      Aufgabe: Berechne den Gegenwind!“

      • Hahaha, der ist gut. 🙈😂
        Meinen nötige ich stets das Geschirr vor dem Schlafen gehen in die Küche zu bringen. Klappt nicht immer und die Öffnung der Spülmaschine hat er auch noch nicht entdeckt.

      • Hahahahha … Ich hol mir alles am nächsten Nachmittag. Ist zwar schlechte Erziehung, aber ehe ich dann keinen teller finde, wenn ich selber Hunger hab ….
        Ich hoffe einfach auf zunehmenden Verstand im fortschreitenden Alter.
        Ob’s klappt, werd ich sehen 😀

      • Ein bisschen bewegen sollten sie sich schon. 😉
        Ist immer witzig wenn sie mit leeren Händen in die Küche zurückkommen um Nachschub zu holen. Man hätte ja auch das Geschirr mitbringen können. Aber diese Logik greift irgendwie nicht. 🤔

      • Hier auch nicht 😀
        Bin immer wieder froh, zu lesen, dass das bei anderen auch so ist ❤

      • Da kannst du wirklich beruhigt sein. 💕
        Aber warte mal ab wenn sie die eigene Wohnung haben. Lach…

      • Das seh ich dann nicht, das ist egal 😀

      • Das meine ich nicht. Lach…, wobei….🤔
        Dann werden sie auf einmal peinlichst sauber und räumen alles auf. 😂

      • Stell dir vor! Meiner hat heute früh Flaschen mit runter gebracht!!
        Liest der etwa meinen Blog?? 😀

      • Echt? 😳😂
        Womöglich hat er einen Wunsch. 😉

      • Bestimmt! Und gut ist es.

  2. Na endlich wieder ein herzerfrischender Beitrag von Dir😊

  3. Reisschüsseln (vermute ich, wegen des Füsschens) passen also in Getränkehalter? Wenn das mal nicht nach einem speziellen Startup schreit. Die Höhle der Löwen erwartet euch!

    • Reisschüsseln! Das probiere ich aus!
      Die könnten mir auch farblich zusagen 😀

      Mit der Bewerbung warte ich aber noch, wie die Bundestagswahl ausgeht! 🙂

      • Ein kluger Gedanke, merchandisingmässig.

      • 🤔 was haben die Schlüsseln (oder das pubertikel, dessen Frühstücksgewohnheiten, ….), das Merchandising (wessen?) mit der BTW zu tun?

      • Ich dachte an das Farben-Spektrum oder Namen, die Menschen sind so übersensibel zur Zeit.

  4. Porzellanschüsseln sind völlig überbewertet….schneide einen Fussball durch und du hast 2 perfekte unzerstörbare Superschüsseln…es sei denn dein Sohn fährt so wie er die Porzellanschüsseln trägt…aber dann hättet ihr einen ähnlich hohen Autoverschleiss…meiner isst übrigens auch nicht mehr mit mir in der Küche…sondern beim Onlinespielen im Bett…da kannst du dann von links nach rechts auf der Bettwäsche den Essenplan der Woche studieren 🙂

    • Das ist bei Euch auch so?
      Jürgen, du erfreust gerade mein Herz. Weiß ich dann doch endlich, dass das altersentsprechend normal zu sein schein. Liegt also nicht an mir! Juhu!
      (Fußballschüsseln, zu groß fürs Auto. Kann er bestimmt nicht mehr schalten. Ich mein ja eh, er sollte das Fahrrad nehmen … !)

      • 🙂 Nein, liegt nicht an dir !!! Und hier auch so : Der Sohn spielt mit dem Autoschlüsseln und ich darf Fahrrad fahren…tue ich eh lieber bei dem Hamburger Dauerstau… Lieber Gruss, Jürgen

      • Du Bruder im Geiste! Das hält uns halt auch fit!

  5. Mariana Gouveia permalink

    Muda-se o país, a cidade, mas a história se repete em todas as casas. Abraço

  6. Hilft nur Doppelplastik. Eine Plastikschüssel (oder Blechnapf) und darin jeden Morgen die Müslimischung in der Plastiktüte. Die letztere darf er dann in der Schule entsorgen. Napf bleibt sauber und Napf im Auto.

  7. Meines Erachtens sollte der Zögling mal mit Käsebrot o.ä. bekannt gemacht werden. Erfordert weniger Geschirr, Logistik, Konzentration (beim Essen) und aufräumen.
    Bietet natürlich auch weniger Unterhaltung, insofern….
    Die diesmalige hat zu einem heftigen Kicheranfall in Seitenlage geführt.
    Made my evening!!

  8. Öm, du hast sehr viel Geduld! Hut ab!
    Wahrscheinlich bin ich aus einer anderen Generation und vermutlich deshalb auch etwas strenger.
    Wenn es um solche Verluste geht, die hätten vermieden werden können, hätte der Spaß bei mir spätestens bei Nr 2 geendet.

  9. ich habe anstatt „Scheinwerferkegel“ gerade „Schweineferkelkegel“ gelesen – die Brille ist dreckig, wer kennt es nicht – und wollte applaudieren zum gelungenen Spitznamen für den Kerl, aber nun ja, doch nicht. Die nächsten übrigen Steingutschüsseln schicke ich zu Dir ins Hinterland, gebongt!

    • Hahahahahaha … 😀
      Mein liebstes Nieselpriemchen!
      Du hast mich wieder sehr erfreut!
      Ich grüße dich aus dem Exil, auch stellvertretend für den Schweineferkelkegel!

      Und P.S.: Danke ich sehr beglückt für die Hilfe mit künftigen Schüsselndefiziten! ❤

  10. Herrlich! Schön gucken ist aber auch ein cooles Konzept. Danke dafür.

  11. Endlich wieder News von Pubi und Schwesterchen, zum kugeln. Aber ich würde Pubi umstellen auf Tupperware, ist auf die Dauer eindeutig billiger und praktischer . Reste von Milch aus dem Auto zu bekommen , wenn man keine Käserei aufmachen möchte ist fast nicht möglich , da zahlt man gut das Spezialreinigungsfirmen das machen( eigene miserable Kafffeeerfahrung 😃😃Liebe Grüße Wortgestoeber

  12. Mau Mensch Pubi nimm ne Plastikschüssel viel besser hält länger oder steh rechtzeitig auf ,ich wecke mami um 5:30H schaff dir einen meier Kumpel an die helfen dir aufstehen. Schnuuur Felix

  13. Ich habe sooo gelacht!!! Zum Glück besteht meiner immer noch auf sein Nutellabrot und isst es auch schön zu Hause am Tisch, aber er ist ja auch noch weit vom Pubertikel entfernt.

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