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Vegetarischer Job

25. November 2013

Gestern beim Mittagessen sagte ich zu meinen Kindern: „Übrigens, meine Lieben, morgen gehe ich zu einem Seminar.“

„Boah, nicht schon wieder!“ Die Gabel verdrückt sich aus Pubertikels Klammergriff und landet scheppernd in den Erbsen. „Dann gibt’s wieder nichts Gescheites zu essen!“

„Du warst doch erst!“ Solidarisch klirrt das Besteck meines Gefügels ebenfalls aufs Prozellan. „Außerdem kannst du alles. Was willst du denn schon wieder lernen??“

Die Standpunkte der Kinder sind dargelegt, jetzt darf ich: „Bei meinem letzten Seminar lag noch Schnee!“ Die beiden haben sie wohl nicht alle.

„Na und?“ Mein Pubertikel echauffiert sich: „Meinst du, das haben wir deswegen vergessen?“

„Hat er nicht“, pflichtet das Geflügel bei. „Als er letztens bei McDonalds zwei von den labberigen Brötchen aß, sagte er, er sucht sich eine andere Mama, wenn er noch mal Spaghetti Bolognese aus dem Ding da zu essen kriegt.“ Sie zeigt auf die Mikrowelle.

Ich bin entsetzt. So nachhaltig erleben meine Kinder meinen Wunsch nach Bildung.
„Und du?“, frage ich das Kleine.

„Ich bleib bei dir.“ Es schiebt seine kleine Hand in meine Hosentasche. „Aber koch bitte keine Möhrchen mehr!“

Dem Pubertikel scheint klar zu werden, dass das Seminar nicht zu verhandeln ist, denn er fragt: „Was soll’s denn zu Mittag geben?“

„Ich dachte an eine Suppe …“

„Komm mir bloß nicht mit vegetarischem Scheiß!“

Geflügel horcht auf: „Was ist vegetarischer Scheiß?“

„Ohne Tiere“, der Bruder.

„Tiere ess ich sowieso keine!“

„Klar isst du Viecher. Fleisch halt.“

Endlich erbebt das Kleine wieder: „… aus was für Tierchen besteht Fleisch?“

„Will die mich verarschen?“ Mein Pubertikel guckt gereizt. „Schweine, Rindviecher, Zicken, vor allem aber …“, er kneift ins Ärmchen, „solches Hühnergeflügel wie du!“

So schnell kann der Kerl nicht mal die Hand wegziehen, wie ich ihm das Geschirrtuch vor den Latz pfeife, um mir ja rechtzeitig die Ohren zu bedecken.
Aber das Geplärr bleibt aus.

„Bist selber ein Suppenhuhn!“ Mein Geflügel stemmt sich gegen den Stuhl.

Pubertikel feixt. „Hast es begriffen? – Vegetarier sind solche, die kein Fleisch essen.“

Die kleine Geflügelmaid nickt: „Tierchen will ich nicht mehr essen …“

„Du möchtest also Vegetarier werden?“ Pubertikel legt den Arm ums Schwesterchen.

„Will ich nicht! Ich werd Schriftstellerin!“

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From → Kolumnen

69 Kommentare
  1. herrrrrrrrlich, wie immer, aber wenn’s um möhrchen geht und vegetarier, dann ist gollum unschlagbar http://www.youtube.com/watch?v=Ax0uzR9NNbk

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  2. Da fühl‘ ich doch ganz mit dem Kind: auch ich würde lieber Schriftsteller als Vegetarier werden… 😀

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  3. War die Phase denn noch nicht: „Ich esse kein Fleisch- nur Gehacktes!“? Für mich bitte auch ohne Möhren.

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  4. Man kann auch vegetarischer Schriftsteller werden. 😉

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  5. Herrlich!
    Ich will auch… ich will auch Schriftsteller werden.
    Ist doch sowieso der beste Beruf auf der ganzen Welt 😉

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  6. Ich bin entzückt. Ist es ein Kochseminar, wohin Du – vielleicht wieder im Schnee – gehen wirst?

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  7. Manchmal könnte der Eindruck aufkommen, dass die Diskussionen mit zwei so hellen, doch so unterschiedlich alten Kindern anstrengend sein könnte – aber auch bildend fürs Gehirn *hihi*

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  8. nixe permalink

    Klasse, ich freu mich, dass ich diese Diskussionen nicht mehr hören muß/darf.
    Bin gern Zuschauer und das hier liest sich einfach köstlich..mit oder ohne Fleisch.

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  9. Anonymous permalink

    *lach* 😀
    Aus dem Leben …sach´ich nur !!! 😀

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  10. Nun, als SchrifstellerIn wird man doch automatisch VegetarierIn – weil: Wer kann sich denn dann noch Fleisch leisten? Wer vom Schreiben lebt, wird zudem automatisch schlank 😉

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    • Kann man vom Schreiben leben????

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      • Eine extrem berechtigte Frage!
        Ich habe eben schon einem der Herren meine Schreibtischdeko vorgetippt: „Schreiben ist der einzige Beruf, mit dem man – ohne lächerlich zu wirken – kein Geld verdienen kann.“ (Jules Renard) 😉

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    • Was meinst du, was ich für eine Bohnenstange bin! 😀

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    • Warum bist du eigentlich von WP weggezogen?
      Jetzt klick ich gerade, um zu sehen, wie es deinem Fleischfresser (HA! Du beherbergst einen auf der Fensterbank! 😀 ) geht, da lande ich auf einer Zigarettenseite. Hä? Ist deine?
      Übrigens, pack sie ein, eben kam mir im Bad eine Mücke entgegen. Ich frag mich, wo die wieder herkommt …

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      • Die E-Zigarettenseite ist auch meine, yep. Und mein Blog ist wieder … naja, da. Nur mit sehr wenig Inhalt. Rein quantitativ, natürlich 😉 Aber lies halt selbst …
        Zu Deinem Mückenprobem: eventuell mal das Parfum wechseln … *grins*

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      • Ralph, ihr seid mächtig viele! 😀

        Wieder da, meint den WP-Blog?

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  11. Ralph nimmt mir das Wort aus dem Munde! Ich dachte auch immer Schriftsteller und Vegetarier seien notgedrungen das Selbe! Die Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Aber, Hühnermama, Du sagst ja selbst, daß Du besser schreibst, als kochst…
    Wer hätte je von einem veganen Sternekoch gehört. 😉

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    • Guckt mal, was meinen Schreibtidch dekoriert: : „Schreiben ist der einzige Beruf, mit dem man – ohne lächerlich zu wirken – kein Geld verdienen kann.“ (Jules Renard)

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      • Ein schöner Spruch, der aber auch irgendwie doppeldeutig ist..
        Soll es jetzt heiße:“Schreiben ist der einzige Beruf, mit dem man kein Geld verdienen kann, ohne dadurch lächerlich zu wirken.“
        Oder ist gemeint:
        „Schreiben ist der einzige Beruf, mit dem man lächerlich wirkt, wenn man damit Geld verdienen kann.“
        Grübel… 😉

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      • „Nüscht is errotischer als Erfolch!“ 😉

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      • Aaah ja…! 😀

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  12. Das Geflügelchen ist einfach witzig und so klug.
    Kochst ihnen halt kein Hühnersüppchen, sondern eine andere,..oder so!

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  13. Die Logik des Geflügelkinds muss ich jetzt nicht ganz nachvollzliehen können, oder?
    Ich meine, ich bin ja selber eher ne steinalte Henne, da liegt mir die junge Denke nicht mehr so … Obwohl ich meist als „fette Kuh“ tituliert werde … Dabei sehe ich wahrhaftig nicht so aus, als sei ich eingefleischte Vegetarierin (ist das nicht schon wieder ein Paradoxon?)

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  14. Was für ein schlaues Huhn!
    Ich checks. Sie hat Jonathan Safran Foers „Tiere essen“ gelesen und begriffen, dass man damit Geld verdienen kann!

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  15. Oh Mann, Du kannst einem ja Mut machen, ich dachte das Mama Gejammer hört irgendwann mal auf… Hmmm

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  16. Amüsiere mich köstlich … Mit / ohne Möhre …
    LG von Heidrun

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  17. Göttlich!!! Ich bin ja so’n Teilzeitvegetarier. Mal kämpfe ich für die Möhrchen, mal für die Schnitzel. Hilft das weiter? 😉

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  18. Die Sprüche deiner Lieblingszwei sind großartig!
    Die hätt ich gern als Schüler! 😉

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  19. mickzwo permalink

    Es gilt immer noch: „Mit meiner Mama kann ich machen was ich will.“
    Das hört nie auf. Wem immer auch sei Dank. Wir hängen doch dran, ob als Kinder oder Eltern. Solche Texte gehören auch dazu.
    Danke, da war wieder wunderbar. 🙂

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  20. Genau so isses! :-))

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  21. Kicher, danke wieder einmal sehr gelacht 😀

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  22. 🙂 Ich möchte auch lieber Schriftsteller werden als Vegetarier. 🙂
    Herrlich. 🙂

    Liebe Grüße,
    Martina

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  23. Ich werf mich weg!

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