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Leitwolfsgrau

1. Oktober 2014

Unlängst beschloss mein Pubertikel, er wolle sich verstärkt selbst um seine Ernährung kümmern, wenn er spät heimkommt …

Voll bester Vorsätze stürmte mein Youngster neulich nach dem Training in die Küche. Zeit, das Licht anzuschalten, hatte er nicht. Aus zwei Töpfen kippte er Nudeln und Hackfleischsoße auf einen flachen Teller und haute das Ganze in die Mikrowelle. Ebenso schwungvoll riss er den Teller nach zwei Minuten wieder heraus und stürzte zum Tisch.
Offensichtlich hatten Nudeln und Hackfleischsoße für den Abend schon andere Pläne und machten sich vom Acker.
Am Tisch angekommen, war der Teller fast leer. Also ging Pubi seine Nudeln suchen. Trotz Dunkelheit entdeckte er die Feierbirnen – als er sie platt trat.

Nun weiß sich mein Pubertikel ja zu helfen. Den größten Haufen Würstel schloss er im Spüllappen ein; mit dem Geschirrtuch schmierte er die Tomatensoße breit. Kurz überlegt er, wohin mit dem Lappen: Er schwankte zwischen Mülleimer und auswaschen – entschied sich dann aber für recyceln. Hierfür riss er den Wasserhahn bis zum Anschlag auf; das Geräusch machte mich im Zimmer nebenan aufmerksam. „Alles in Ordnung?“, fragte ich.
„Immer. Alles bestens.“
Weil der Wasserwerfer weiter mit fünf Litern sekündlich ins Spülbecken dröhnte, ging ich das überprüfen.

Ich sage Ihnen weiter nichts!
Das Spülbecken war zu zwei Dritteln mit brodelnder brauner Brühe gefüllt und ungezählte Hackfleischwürstel sausten im Kreis. Sah aus wie beim Synchronschwimmen.
„Was ist das denn?“, fragte ich.
„Kannst wieder gehen, ich hab’s im Griff.“ Mein Pubi wuselte herum. „Mikrowelle hab ich schon gesäubert.“
Erst jetzt schaute ich zur Mikrowelle. Ein Lavastrom quoll dickflüssig heraus und tropfte gemächlich am Küchenschrank hinunter.
„Mann!“, wetterte ich. „Was wird das?“
„Alles gut, ich mach das schon.“ Pubi lief hin und her trat Tomatensoße breit.
„Warum brennt denn hier kein Licht??“
„Hatte ich noch keine Zeit für“, sagte mein Pubi aufrichtig und haute mit der Hand auf den Lichtschalter. Ein roter Dreifingerabdruck blieb zurück.
„Raus!“, sagte ich.
„Was du dich nur einmischst, ich mach das schon …“
„Klar“, ich nickte. „Wenn’s morgen festgetrocknet, putz ich drei Stunden hinter dir her.“
„Ich kann nix dafür, dass du ’n Putzfimmel hast.“

Jedenfalls schmiss ich meinen Pubertikel mit seinem Reste-Teller aus der Küche und machte mich an die verstopfte Spüle. Mit einer Pinzette pulte ich Wurm für Wurm aus dem Abfluss, bis das Wasser wieder zügig weglief. Unterdessen hatte es sich die Tomatensoße mit den breitgetretenen Nudeln zwischen den Dielenbrettern gemütlich gemacht. Weil sie auf Lappen-Ansprache nicht reagierten, trieb ich das Gelage mit einem Zahnstocher auseinander.

Nächster Tag – Geflügel und ich waren eben heimgekommen – stieg ich schnell nach unten in die Waschküche. Mütter haben eben immer Stress. Geflügels erster Gang hingegen gilt stets der Küche, es ist dauernd hungrig. Ich war noch nicht richtig unten, rief Geflügel: „Wo kommen denn die Regenwürmer her? Guck mal! Die sind aus dem Schrank gefallen!“

Man kann bei mir daheim keine Arbeit ungestört zu Ende bringen! Ich schlurfte nach oben. Mit spitzen Fingern hockte Geflügel vorm Tellerschrank und hielt etwas Helles hoch. „Wie süß der ist! Ganz klein ist er noch …“

Ich wollte mir den Wurm gerade ansehen, kam mein Pubertikel herein: „Den kannst du essen. Der ist von meinem gestrigen Mittag.“
„Wie kommt er dann in den Schrank??“
„Da bin ich jetzt überfragt …“ Pubi grinste und machte sich aus dem Staub.

Später saß ich mit Geflügel im Garten und genoss die Herbstsonne. Plötzlich fragte meine kleine Henne: „Mama, findest du die grauen Haare eigentlich schön?“
„Wieso?“
„Werden immer mehr, du funkelst richtig!“ Sie fummelte mir auf dem Kopf herum. „Soll ich rauszupfen?“
Selbstredend wartete sie keine Antwort ab, sondern zog genüsslich an einem meiner Haare.
„Aua!“, sagte ich. „Das macht man nicht langsam! Sondern wie mit Heftpflaster: ‚Zack!‘, weg!“

„Sie hat so viele Graue“, Pubi warf sich mit einem Pudding in den nächsten Stuhl, „weil sie sich immer über uns ärgern muss.“
„Über mich nicht, ich bin brav!“
„Du vor allem …“ Pubi schaufelte Pudding und wehrte mit dem Ellbogen die kleine Schwester ab, die nach dem Becher rangelte.
„Du …“, das Kleine ließ vom Pudding ab: „Wieso sind Papas Haare fast weiß?“
Pubi schob den letzten Löffel in den Mund. „Zusätzlich muss der sich noch über Mama ärgern. Guck mal bei mir, ich hab bestimmt auch schon welche!“

„Wo ist eigentlich dein Lateinbuch?“, fragte ich meinen Pubertikel.
„Jetzt fangen die schon wieder mit ihren blöden Vokabeln an! Ehe ich auch noch graue Haare krieg, geh ich lieber spielen!“ Das Kleine rannte ins nächste Gebüsch.
„Das muss ich mir merken …“ Pubi sah ihr hinterher. „Wenn die mir wieder auf den Sack geht, sag ich: Mama, frag mich Vokabeln ab!“

Mein Pubi hatte tatsächlich gelernt und wir kamen zügig voran. Bei der zweiten Lektion rief mein Geflügel: „KOMMT SCHNELL! ICH HAB WAS ENTDECKT!“
Keiner von uns reagierte.
„MAMA! HIER! WIE SCHLIMM!“
Pubi sah mich an. Ich winkte ab und fragte weiter: „exitus?“

Just in dem Moment, als mein Pubi: „Ende und Ergebnis“, antwortete, klatschte Geflügel mir eine Gartenschüppe ins Schulbuch. Darauf  die abgenagten Knochenreste eines Frosches …

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Aus Gründen der Pietät und aus Sorge um das Essverhalten meiner Leser, hier nur ein kleiner handchirurgischer Ausschnitt. Wer eine Ganzköperaufnahme dieses wundervoll erhaltenen Krötenskeletts sehen möchte, scheue sich nicht, mir eine Mail zu schreiben! 😉

From → Kolumnen

46 Kommentare
  1. Oh, der Arme! Hat Pubi denn noch etwas in den Magen bekommen? Ich weiß zu gut, den Hunger nicht zu lange ungestillt zu lassen!
    Und wer hat die Padde geknabbert?

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    • Bei Hunger kennst du dich richtig gut aus, stimmt, las ich gestern! 😀

      Schau mal das Bild in groß, wie achtsam die Knöchelchen gesäubert sind. Ganz feingliedrig und weiß, Wie Milchzähne. Magst den ganzen Frosch sehen?

      Meine kleine Henne war’s aber nicht! 🙂

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  2. Wundervoll beschrieben!
    Danke für das Lachen und ein bisschen auch für das Gruseln 🙂

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  3. Molly L. permalink

    „Wieso sind Papas Haare fast weiß?“ – „Zusätzlich muss der sich noch über Mama ärgern.“
    *BRÜLLundmichwegschmeißvorLachen*
    Jaja, was machst Du denn mit dem armen Kerl? 😉

    Ich bewundere allerdings ehrlich Deine Ruhe und Gelassenheit! Wenn meinen Kindern mal einfallen sollte, so ein Küchenchaos zu veranstalten, würde es mir im Traum nicht einfallen, da hinterher zu putzen, das könenn die dann schön selber machen! 😛
    (Sagt Molly JETZT, noch bevor sie weiß, das Selberputzen wahrscheinlich 10 Mal schneller geht, als einen nöligen Teenie anzutreiben! 😉 )

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    • Eben! a) antreiben, b) ist das hinterher nicht so, dass ich da dauerhaft hinschauen könnte. Oder fühlen … 😀

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      • Molly L. permalink

        Interessant fänd ich ja an dieser Stelle oder auch so ganz generell mal – Du hast ja Beides zu bieten! – wer oder was denn nun der anstrengendere Nachwuchs ist: Geflügelchen oder das Pubertikel? Jaja, unfair der Vergleich, ist ja auch alles eine Frage des Alters!
        Dennoch: Mal so tabellarisch unter die Lupe genommen…? 😉

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  4. Warum nur lasse ich den restlichen Tag nun entspannter angehen? 😀

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  5. Manu permalink

    Großartig! Her mit dem Skelett. Ich möchte es ganz sehen 🙂

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  6. Mrs_Holmes permalink

    Ich liebe deine Familiengeschichten aus dem Alltag 😀 Und bin echt gespannt wie es mir geht wenn meine in die Pubertät kommen…

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  7. Klasse geschrieben… dann freue ich mal auf das Lebensalter, wenn mein Junior mal so weit ist und dahin kommt…:-)

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  8. Mal wieder grandios geschrieben. Du hast es drauf.
    Mit den Vorgaben deiner Kinder wohl kein Problem, lach.
    aber warum er im Dunklen hantierte, das verstehe ich nicht.

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    • nixe permalink

      Lautlach… bei: als sie auf Lappenansprache nicht reagierten..musste ich laut losprussten, wirklich sehr unterhaltsam geschrieben – Danke dafür!
      Ich hoffe, das war jetzt nicht das Skelett vom Froschkönig….
      Liebe Grüße
      von der Nixe

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    • Danke, meine Lieben! ❤ 🙂
      Warum die Matschei ohne Licht sein musste: Frag mich nicht …
      Beim Frosch handelt es sich in der Tat um einen besonderen. Er war orange und sehr groß. Wohnte unter den Steinen des Brunnens. Hockte eines Tages tot vor einem Metalldekofrosch neben dem Brunnen.
      War auch äußerlich noch heil. Hat ihn wohl der Schlag getroffen. Muss am Alter gelegen haben.
      Ein paar Wochen später … nun, die Hand seht Ihr im Bild! 😉

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  9. Herzlich gelacht. Coole Schreibe. Danke 😀

    Silvia Meerbothe

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  10. Herrlich geschrieben! Die unvergessene Erma Bombeck war schon gut in der literarischen Betrachtung dieser verrückten kleinen Sache, die sich (Familien-)Leben nennt. Das hier ist SUPER!

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  11. Hahaha, das ist genial!! 😀 😀

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  12. ERheiternd,..ich verliere das DAuergrinsen gar nicht mehr.
    Schöne Ferien wünsche ich euch!
    Und nein, danke, kein Foto,..ich guck lieber Baby Katzenfotos 🙂
    lg. Sina

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  13. Gut, dass die Haare nur grau oder weiß werden vom Ärger und nicht ausfallen – wer weiß, wie du sonst herumlaufen müsstest. 🙂

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  14. Meine Liebe, für heute stand Bolognese auf dem Speiseplan, aber ich habe mich anders entschieden! Ich muss also später einkaufen gehen. Soll ich ne Tönung mitbringen? 😆
    Ich muss jetzt erstmal die Bilder aus dem Kopf bekommen…

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  15. Wird Zeit, dass Pubertikel mehr unter Anleitung in der Küche hantiert, damit er im Ernstfall mal allein kann, ohne dass Good Word einen HazMat-Anzug braucht, wenn sie wiederkommt.

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  16. Ich glaube, ich bin heilfroh, dass ich keine pubertierenden kleinen Monster zu Hause um mich herum habe. Dagegen ist ein Hund ja ein Fliegenschiss .
    Und die in der Schule sind nicht meine, die kann ich mittags bedenkenlos wegschicken.
    Danke für deinen wieder amüsanten Einblick ins Familienleben.

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  17. ich hab heute keinen frosch sondern einen skelettierten mäusekopf auf der terrasse gefunden, so gleichen sich die zustände aber die maßnahmen sind andere, meine monster kann ich rausschmeißen, da kommt kein jugendamt, käme vielleicht der tierschutz wenn sie sich beschweren täten, tun sie aber nicht, sondern bringen NOCH ne maus an, zum frühstück 😉

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    • Bei Bine auf den Teller! 😀
      Dann rennst du noch schneller! 😀
      Ich habe seit gestern übrigens alle meine Fahrräder aus der Reparatur zurück. Juhu, kann Winter werden! 🙂

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  18. Besser graue Haare als gar keine – wie der besagte Frosch. 😉

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  19. Ich überlege jetzt sehr angestrengt, welche Art von Bewegungen der Pubertikel gemacht haben muss, als er die Nudeln und die Sauce Bolognese so dermaßen großzügig in der Mikrowelle und der Küche verteilte… Eigentlich bin ich ein sehr wissbegieriger Mensch, aber ich denke, ich werde darauf verzichten, den Handlungsablauf nachzustellen… 😉
    Herzliche Grüße!

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  20. So, meine Lieben, Ferien beendet, dann will ich mal wieder in die Tasten hauen!
    Seid gespannt! 😉

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  21. Vielen Dank für einen wunderbaren Lacher am Abend!

    (*flüster* Übrigens hab ich jetzt eine Fünfte als Klassenlehrerin bekommen; die sind ja wirklich so … geflügelig …)

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    • Frau Hilde! Endlich! ich dachte schon, du seiest im Schuljahr versumpft! 😀
      In der 5 sind die immer noch geflügelig??
      (Danke für das Wort! 😀 )
      Obwohl, ich will mich nicht beschweren, geht mir so schnell der Stoff nicht aus! 🙂

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  22. Bin erst jetzt dazu gekommen, den Artikel zu lesen. Sehr schön. Und eine großartige Antwort des Sohnes: „Ich kann nix dafür, dass du ‘n Putzfimmel hast.“ (Wobei ich froh bin, dass ich sie mir nicht anhören musste 😉

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  23. Endlich hat sich das Geheimnis der silbernen Strähnen auch für mich geklärt. 😉 Da spreche noch mal jemand davon, sich keine grauen Haare wachsen zu lassen.
    Aber schön zu wissen das Kinder noch interessiert im Garten spielen. Und nicht lauthals zu brüllen beginnen, wenn sie auf eines der natürlichsten Dinge der Welt stoßen.

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